Mittwoch, 23. März 2011

Gesicht

Gesicht
ich zeige
bleich
und lege Rouge auf
eines Morgens
Kerben am Mund
Querfalten auf der Stirn
ohne dass
ich erinnere
wie und wann das passiert ist.

Gesicht
ich zeige
geformt durch Zeit
die Jahre
haben mich entstellt
der Krieg
den ich nicht gelebt habe
doch jetzt
da alles bricht
und umbricht.

Gesicht
ich zeige
mich ohne Rouge
tiefe Schatten
konturlos
suche Versteck
trage wieder Rouge
das stimmt heiter
vor Scham
haben sich Türen geöffnet.

Gesicht
ich zeige Augen und sehe
ich komme weitab vom Ziel
das mir nahe war
nicht blaue Augen
sehende
nicht leuchtende Wangen
Fieber.

Gesicht
ich zeige
Antworten Fragen Antworten
neue Formen Widersprüche
Begabung zum Stillstand
mal sehen
was die anderen machen
das Massenversteck
war immer hilfreich.

Gesicht
ich hoffe
ich kenne mich noch im Spiegel
mit und ohne Rouge.

(c) christA frontzeck

Montag, 7. März 2011

Kind & Kunst



Laut hallt die Stimme eines Kindes durch das ganze Ausstellungsgebäude: "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir! - Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir! ...!" - Besucher schauen sich irritiert um. Das Ausstellungspersonal rennt auf­gescheucht durchs Haus. "Das Kind soll sofort aufhören!", ruft es streng. - "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir!", schallt es weiter. - Weit und breit ist kein Kind zu sehen. "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir!" - Die Stimme wird lau­ter und leiser. Das Kind experimentiert mit der Akustik. "Iiiiich bin der Kööööööööönig. Bitte kniiiiiiiiet vor miiiiiir! - Ich biiiiin deeer König. Bit-t-t-te...!" -
Es dauert lange, bis die Mutter ihr Kind ortet. Im obersten Stockwerk des Hauses in der Kuppel stehen weiße Stellwände; hinter einer hat sich das Kind versteckt, und es tönt bis ins Kellergeschoss: "Ich bin der König. Bitte...." - "Komm, Süße, wir gehen jetzt!" - "Au ja, geh'n wir Eis essen?", fragt die Süße.

(Käthe Kollwitz Museum, Berlin)

© christA frontzeck