Sonntag, 30. Dezember 2012

2013

 

2013 

Wiegen, Wollen, Weisheit, Witz, Wachen, Wehren, Wohnen,
Waschen, Werte, Weilen, Wacholder, Werken, Waben, Wenden, Wählen, Waldohreulen, Werden, Weben, Wünschen, Wachsen, Wurzeln, Wecken, Wässern, Wirbeln, Wohlwollen, Wandeln, Würde, Winken, Waffeln, Wonnen, Wege, Wagen, Witz, Waffenruhe, Wetterleuchten, Wiesen, Wein, Wind, Wahrheit, Wogen, Warschau, Wechseln, Wale, Wälder, Wandern, Weiden, Worte, Wallungen, Würze, Walnüsse, Warnen, Wichteln, Wangen, Wärme, Warten, Weite, Wellen, Wissen, Wunder...

christA frontzeck

Montag, 26. November 2012

Zettelkram

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2 DOSEN -Hund


oder:

"Wie kommt das Haftpulver auf Kneipentische?"

(c) christA frontzeck, 1998



Wie geht es Ihnen, wenn Sie in der Schlange an der Kasse eines Supermarktes stehen, sich in Geduld üben oder Zeit haben? Schauen Sie sich in anderen, mehr oder weniger gefüllten Einkaufswagen um und entdecken 2 Dosen -Hund???

Als ich vor Jahren zum ersten Mal einen handgeschriebenen Einkaufszettel aufhob und einen kleinen 'Roman' in wenigen Worten fand, war dies der Beginn einer Sammlung. Käse, HH Papier, Salat, Zitronen, Äpfel Cox orange, Getränke, Bier – stand da in großzügiger, akkurater Handschrift auf großzügig abgerissenem Karo-Papier untereinander, der Rand links genau zwei Kästchen breit, das Wort Bier am Ende unter dem Wort Getränke schlampig, vielleicht in Eile dazugeschrieben.

Seitdem schleiche ich nach beendeten Einkäufen immer noch einmal um die Einkaufswagen herum, um E-Zettel zu finden. Manchmal entsteht ein diebisches Gefühl, wenn zwischen liegen gebliebenen Kassenbons ein handgeschriebenes Etwas blinkt und das im dritten oder vierten der an die Kette angeschlossenen Wagen! Ich gehe nicht auf fremde Menschen zu und frage, ob sie mir nach dem Einkauf ihren Zettel schenken. Ich finde sie und zwar überall, nicht nur in Geschäften, in Parkhäusern, auf der Straße..., auch bei Spaziergängen im Wald, wo weit und breit kein Geschäft in der Nähe ist. Sie fallen aus Mantel- oder Hosentaschen beim Herausholen eines Taschentuchs oder Kaugummis, so vermute ich.

Die Wahl des Papiers, auf dem geschrieben wird, spricht eine, unabhängig vom Wortgehalt, eigene Sprache: es werden ordentliche, quadratische, weiße, farbige, herzförmige oder runde Blockzettel benutzt, abgerissene Kalenderblätter (rückseitig Termin beim Frauenarzt, Heinz!!!) , abgestempelte Briefumschläge, gelbe Klebezettel, das Schild vom Bekleidungsstück eines namhaften Herstellers, Landschaftsfotos, Postkartenstücke, Kneipenblöcke, Rückseiten von Busfahrscheinen oder Kassenbons... In Verbindung mit Handschrift und Wortwahl zeigen sich visuelle und phantastische Einblicke in Familien-, Single- oder Wohngemeinschaftshaushalte, die so nicht in Zeitungen und Büchern zu finden sind.

E-Zettel sind intim, nur für die gedacht, die sie geschrieben haben oder für die Frau, den Mann, das Kind, die Freundin, das Enkelkind, die Haushälterin, den Hauskrankenpfleger, die Nachbarin...

E-Zettel sind verräterisch: sie verraten Nähe und Einsamkeit, Eile, Hektik, Alter, Bedürfnisse und Wünsche, Pedanterie, Vergesslichkeit und Bevormundung, Snobismus, Armut, Luxus, Rechtschreibschwächen, Bildung, Gewohnheiten, Einfallsreichtum, Sparsamkeit, Chaos, Beeinflussung, Bequemlichkeit, Nationalität, Geiz, Großzügigkeit, Unwissenheit, Flexibilität. Sie verraten direkt und unzensiert mehr, als sonst über Mitmenschen zu erfahren ist.

E-Zettel sind nicht nur „Ein echtes Lesevergnügen“, wie Andreas Burgmeier in einer Ausgabe der ZEIT im September 1998 behauptet. Sie sind phantasieanregend und machen gleichzeitig betroffen. Ich habe während meiner Installationen immer wieder festgestellt, daß durch die Betrachtung der Zettel andere, witzige und ernste Gespräche entstanden sind.

E-Zettel lehren den Betrachter Abk.: R-Wine, Zig., kl. Tom., kl.Pa.Co, Supgrü., jogis... Dann wieder sind sie sehr ausführlich: Spülmaschinenputzer, 1 Glas Honig (nicht den dünnflüssigen)... oder exotisch extravagant: Clopapier, Wilkinson-Reise-Lederetui 2x (auf der Rückseite Fetzen eines gedruckten Gedichts: Kretische Du, die blauer Ton Um den Zug Un-geräte Weit verweh), Besteck: Messer 3x, 1x Schiwabschischi, Aufbackbaguette, Gummizitrone, Lederkäs züm Beraten... Manche Menschen kaufen Belach, andere kaufen Belag, Aufschnitt oder Auflage.

Was stellt sich der Mensch aus Fleisch, Kartoffelsalat, Reibe, Schrippen, Tomaten und Hakle für ein Menü zusammen? Welches aus Salat, Wasser, Tee, Honig, Klobrille und Nagellack dunkelrot? Was passiert mit Weintraube, 1xMohrrüben, 3x Paprika, Eier, kl. Pa. Coca, Bier?

Unter Muttis Handschrift Miracel Wipp, Fahrkarte, Persil, Cola (light)... sind Kinderwünsche gekritzelt: Baletschue, Baletanzuck – Danke. Die Familie ißt Fertigkost, fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wäscht mit Persil, ist kalorienbewusst und trinkt Cola light – das Kind will zum Ballett.

Wie ist ein Haufen zerknüllter, manchmal verdreckter und zerrissener, achtlos fortgeworfener oder verlorener Zettel, der vieles offenbart zu verwenden? Wie zu ordnen? - Zu ordnen sind sie eigentlich gar nicht, meist handelt es sich um Unsortiertes, manchmal, allerdings nur im Anfangsbuchstaben alphabetisch Geordnetes: Briefmarken, Block, Batterien, Brötchen, Süßes. Mir fehlt die Mentalität, ein Ordnungssystem für Küchenzettel und andere handschriftliche Mitteilungen zu erfinden. Auch sie nach Datum und Ort des Fundes zu katalogisieren, ist sinnlos. E-Zettel zeugen nicht von Jahreszeiten; sie sind zeitlos.

In den ersten Jahren diese Sammelleidenschaft habe ich jedes Fundstück kopiert. Auf den Schwarz-Weiß-Kopien zeigen sich durch Knitter und Dreck skurrile Landschaften. Die Kopien wurden in Klemmhefter geklemmt, in denen geblättert werden kann, als Lektüre zum Entspannen, Anregen und Nachdenken sicherlich wertvoll. An Wilhelm Busch musste ich auch mal denken. - Die Originale wandern in einen Karton zu vielen, die dort schon drin sind, als würden sie auf Tauschgeschäfte warten wie früher Papierserviettensammlungen oder Rosenbilder mit und ohne Glanz.

Küchenzettel“-Sammler sollten sich zusammentun, habe ich gedacht, als ich von anderen Einkaufszettelsammlern hörte und las. Urheberrechtsschutz kann dafür wohl kein Sammler beanspruchen.





1998 und 1999 habe ich in verschiedenen Bezirken der Stadt Kopien auf Tische und Tresen angebracht. So kommt das Haftpulver als Kommunikationsmittel auf Kneipentische!
1999 habe ich im Rahmen des SoToDo 72 Stunden Performance-Kongresses in Berlin einige hundert E-Zettel installiert u.v.m...


(ungekürzte Version des Textes eingestellt am 17. Februar 2013) 

LINKS:
Frankfurter Rundschau, 9.7.98, Rolls/Traubenz/Stöffche/H-Milk (Sandra Dranicke)

ZEITPUNKTE, SFB, 2.12.1998
http://www.ullsteinbuchverlage.de/ullsteintb/buch.php?id=18438
http://www.rowohlt.de/buch/Wigald_Boning_Butter_Brot_und_Laeusespray.2996098.html







 

 




Freitag, 3. August 2012

Kommunikation

Tante:     Wie lang sind denn die Ferien noch? Und warum  
machst Du keine?

Neffe:     Wie, warum mach ich keine? Noch ne Woche

Tante:    Nun ja, Ferien sind doch, wenn man weg ist, oder? - Ich hatte den Eindruck, Du warst gar nicht weg. 

 
Neffe:    ne, das ist Urlaub ;D

Tante:    Gut. und wie geht es Dir so?

Neffe:    gut und selbst?

Tante:    arbeite viel an Sachen, die mir Spass machen.Neulich hatte ich einen seltsamen Gedanken, weil   ich ein Foto von Dir angeschaut habe
 

Neffe:    Welches?

Tante:    welches Foto, das weiß ich nicht mehr, aber den Gedanken weiß ich noch.

Neffe:    Welchen?

Tante:    wie Du wohl mit dem Weltbild Deines Großvaters zurecht gekommen wärst und mit dem Deines Vaters zurechtkommst.

Neffe:    wieso? [:)]

Tante:    wegen der Socken z.B.

Neffe:    der Socken??

Tante:    gut, es heißt DIE Socken. - (Mir fiel ein, dass Du zur Beerdigung andere Socken anziehen musstest. - )

Neffe:    achso ja das war aber nichts woran ich mich nachhaltig gekratzt habe [:p]
manchmal ist es eben garnicht schlecht, wenn der Apfel etwas weiter vom Stamm fällt [:)]


Tante:    ja.

Freitag, 27. Juli 2012

Himmel & Heaven




Himmel. - Wo ist das? – Über mir, am Himmel, fliegen Flugzeuge, - wahrscheinlich fliegen sie alle nach New York, - ohne mich. – Fliegen Flugzeuge am Himmel oder im Himmel oder zwischen Himmel und Erde, unter dem Himmel und über der Erde? – Eins ist klar, Flugzeuge fliegen nicht unter der Erde. - Das stimmt nicht, einzig wahr ist, sie fliegen nicht in der Erde. – Über und unter der Erde fliegen Flugzeuge. - Die einen sehe ich gegen den Himmel, die anderen sehe ich nicht. - Manche fliegen von mir aus betrachtet zwischen Himmel und Erde. - Wenn sie steigen, sieht es so aus, als fliegen sie in den Himmel. - Landen sie, fliegen sie auf die Erde zu. - Fliegen Flugzeuge auf der Erde? – Erdbewohner würden das nicht sagen; vom Mond aus betrachtet, sieht es wohl so aus. – Himmelsfern, himmelsnah, himmelsgroß, - himmelsklein kann es nicht geben, - himmelsweit, himmelsbreit, himmelslang. – Ich bin himmelsfern. – Das Flugzeug, das ich sehe, ist himmelsnäher als ich, 3000 oder 10.000 Meter näher. – Zwischen mir und dem Himmel befindet sich die Zimmerdecke. – Wenn ich auf der Wiese liege und nach oben schaue, ist nichts. – Fliegen, Mücken, Vögel, Flugzeuge, Himmel. – Oder: Fliegen, Mücken, Vögel, Wolken vor dem Himmel. – Wo ist der Himmel? – Hinter den Wolken? – Über den Wolken? – Ziehen Wolken am Himmel? – Oder ziehen sie über ihn? – In ihm? - Vögel fliegen in der Luft. – Im Himmel die Sterne, am Himmel sehe ich sie. – Im Himmel ist kein Boden. - Ist, was ich einatme, bereits der Himmel?

Heaven. – Where is that? – Above me, in the heavens, planes are flying, - probably they are all flying to New York, without me. - Do planes fly in the heavens or on the heavens, or between heaven and earth, under the heavens and above the earth. - One thing is clear, planes do not fly under the earth. - That is not correct, it is only certain that they do not fly inside the earth. – Above and below the earth planes are flying. – The former I see against heaven, the latter I do not see. – Seen from my point of view, some are flying between heaven and earth. – When they ascend it looks as if they were flying into heaven. – When they descend they fly down to earth. – Do planes fly on earth? – Earthlings would not say so; seen from the moon it might look like it. – Heaven-far, heaven-near, heaven-big, - there cannot be any heaven-small, - heaven-wide, heaven-broad, heaven-long. – I am heaven-far. - The plane I see is heaven-nearer than I am, 3000 or 10000 metres nearer. – Between me and heaven there is the ceiling. – When I lie on the grass and look up, there is nothing. – Flies, midges, birds, planes, heaven. – Or: flies, midges, birds, clouds in front of heaven. – Where is heaven? – Behind the clouds? – Above the clouds? – Do clouds drift on heaven? – Or do they drift above it? – In it? – Birds fly in the air. – In heaven there are stars, I see them in heaven. – There is no bottom in heaven. – Is, what I breathe, already heaven?

Anmerkungen der Übersetzerin:
Heavens above, you gave me a complicated job to do! Im Englischen wird zwischen HEAVEN  und SKY unterschieden: planes fly in the sky, not in heaven. And is heaven in you or around you or around us both? Heavens beware that I should try to answer that! Ich habe versucht, SKY zu vermeiden, indem ich den Plural THE HEAVENS dort verwendet habe, wo es irgendwie besser klingt. HEAVEN im Singular ist ohne Artikel.
Which all goes to show that I have no heavenly inspiration in me! - Renate Boyd



(c) christA frontzeck - http://www.MoreThanArt.net

Sonntag, 22. Juli 2012

Kind & Kunst




Laut hallt die Stimme eines Kindes durch das ganze Ausstellungsgebäude: "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir! - Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir! ...!" - Besucher schauen sich irritiert um. Das Ausstellungspersonal rennt auf­gescheucht durchs Haus. "Das Kind soll sofort aufhören!", ruft es streng. - "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir!", schallt es weiter. - Weit und breit ist kein Kind zu sehen. "Ich bin der König. Bitte, kniet vor mir!" - Die Stimme wird lau­ter und leiser. Das Kind experimentiert mit der Akustik. "Iiiiich bin der Kööööööööönig. Bitte kniiiiiiiiet vor miiiiiir! - Ich biiiiin deeer König. Bit-t-t-te...!" -

Es dauert lange, bis die Mutter ihr Kind ortet. Im obersten Stockwerk des Hauses in der Kuppel stehen weiße Stellwände; hinter einer hat sich das Kind versteckt, und es tönt bis ins Kellergeschoss: "Ich bin der König. Bitte...." - "Komm, Süße, wir gehen jetzt!" - "Au ja, geh'n wir Eis essen?", fragt die Süße.

(Käthe Kollwitz Museum, Berlin)

© christA frontzeck